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"Hm. Ich habe jetzt den Thread nicht von vorne an gelesen, aber koennte mir
vielleicht trotzdem einer sagen, was das ist, 'Realitaet'?" -
"Simulation,
von innen betrachtet."
(Sven
Tuerpe in de.talk.bizarre)
Der Eisenbahngüterverkehr wird sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der Literatur [1] als "umweltfreundlicher" als der Straßengüterverkehr eingestuft. Auch das mit dem Schienenverkehr verbundene Unfallrisiko ist wesentlich geringer als das des Straßenverkehrs und Staus sind auf der Schiene ein untypisches Phänomen. Kurz gefaßt: Die externen Kosten [2] des Eisenbahngüterverkehrs sind geringer als die des Straßengüterverkehrs, und zwar nicht nur absolut, [3] sondern auch pro Leistungseinheit.
Aus dieser Tatsache entsteht auch die vielfach in der öffentlichen Diskussion erhobene Forderung, es seien mehr Güter auf der Schiene zu transportieren, der Umwelt und den Menschen zuliebe. Trotzdem war in den letzten Jahrzehnten eine massive Verlagerung von Marktanteilen beim Güterverkehr von der Schiene auf die Straße zu beobachten, die weiterhin anhält. [4] Dies ist aus ökonomischer Sicht u. a. dadurch zu erklären, daß die externen Effekte des Verkehrssektors nicht internalisiert wurden und werden. [5] Durch die Existenz externer Effekte führen die individuell rationalen Entscheidungen zu einer gesamtgesellschaftlich suboptimalen Situation, gemessen am "Idealfall" ohne externe Effekte. Obwohl das Vorliegen externer Effekte nicht notwendigerweise zu Ineffizienzen führt, [6] ist dies dann der Fall, wenn Transaktionskosten eine Verhandlungslösung verhindern und eine Möglichkeit zur Reduzierung der Transaktionskosten (z. B. durch die Definition bzw. Klärung von Eigentumsrechten) oder zur staatlichen Internalisierung der externen Effekte (Pigou-Steuer) besteht. [7] Es kann also immer dann von Ineffizienzen durch externe Effekte gesprochen werden, wenn eine alternative Situation möglich ist, in der die externen Effekte internalisiert werden können. [8] Dies scheint im Verkehrsbereich möglich, die verschiedenen Vorschläge einer Internalisierung unterschiedlicher Teile der externen Kosten des Straßenverkehrs, z. B. über die Mineralölsteuer, lassen sich voraussichtlich mit so geringen administrativen Kosten durchführen, daß ein Wohlfahrtsgewinn insgesamt sehr wahrscheinlich ist.
Das unterschiedliche Ausmaß der externen Effekte durch den Straßenverkehr einerseits und den Schienenverkehr andererseits erklärt, warum der Straßenverkehr einen größeren Anteil an der Verkehrsleistung [10] erbringt, als gemessen an einem neoklassischen Wohlfahrtsoptimum wünschenswert erscheint. Es erscheint auch plausibel, daß diese "Wettbewerbsverzerrung" am zunächst schleichenden, zusehends aber immer offensichtlicher werdenden Niedergang des Eisenbahngütertransports nicht unbeteiligt ist.
Diese Verkehrsverlagerung läßt sich aber auch als das Ergebnis einer unterschiedlichen technischen Entwicklung erklären. Während die Bahn relativ langsam und zaghaft neue Technologien einführte (dies wird für die Bundesrepublik Deutschland häufig durch die Strukturen in der "Behörde" Bundesbahn und den fehlenden intrasektoralen Wettbewerb auf der Schiene begründet [11]), war die technische Entwicklung beim Straßengüterverkehr nicht nur wesentlich "lebhafter", die Straßenverkehrstechnologie paßte darüber hinaus noch wesentlich besser zu der im Laufe der Zeit gewandelten Nachfrage im Güterverkehrssektor, nämlich der Verlagerung der Nachfrage von den transportpreisempfindlichen Massengütern zu hochwertigen Nicht-Massengütern, wobei letztere zusätzlich noch im Zeitverlauf ansteigende Anforderungen an die Transportqualität i. w. S. stellten (Güterstruktureffekt, [12] Logistikeffekt [13]).
Sollte es nun der Bahn gelingen, ihre Transporttechnologie so zu verändern, [14] daß sie den durch den Güterstruktur- und Logistikeffekt gewandelten Anforderungen besser gerecht wird, so kann man erwarten, daß sich - unabhängig von einer Internalisierung der externen Effekte - der modal split wieder zugunsten der Bahn verschieben wird.
Ein Vorschlag für eine solche veränderte Technologie, den automatisierten und dezentralisierten Eisenbahngüterverkehr, existiert. [15]
Die Idee des automatisierten und dezentralisierten Eisenbahngüterverkehrs basiert auf einer Abkehr vom Prinzip der Zugbildung und einer Hinwendung zu einer Produktion der Transportdienstleistung in kleinen "Losgrößen". Dies ermöglichen einzeln angetriebene Güterwagen (Gütertriebwagen), die - ohne Fahrer - automatisch gesteuert ihren Weg vom Start- zum Zielort selbsttätig finden. In Verbindung damit entfällt die starre Bindung an Fahrpläne, und somit zumindest einer der Faktoren, die bisher eine kurzfristige Disposition über Transportmöglichkeiten im Schienengüterverkehr verhinderte. Sowohl die dazu nötige Fahrzeugtechnologie existiert (im Gegensatz zu der für ein automatisches Fahren im Straßenverkehr nötigen Technologie [16]) und ist im Versuchsbetrieb erprobt, [17] als auch die Steuerungsprinzipien. [18] Auf der Basis der Ähnlichkeit einer solchen Betriebsweise der Bahn mit einem wide-area-Computernetz (WAN) konnte durch eine Simulation gezeigt werden, daß eine deutliche Erhöhung der Kapazität bestehender Bahnstreckennetze bei einer Einführung des automatisierten und dezentralisierten Eisenbahngüterverkehrs zu erwarten ist. [19]
Abbildung
1: Potential für die Erhöhung der Streckenleistungsfähigkeit
(Quelle:
Frederich (1992b, S. 266))
Weiterhin sinkt die Transportzeit im Vergleich mit der bisherigen Betriebsweise der Bahn trotz gleicher oder gar niedrigerer Fahrgeschwindigkeit deutlich, da das extrem zeitaufwendige Rangieren der Wagen entfällt. [20] Da die Wagen bei Bedarf auf die Strecke gehen, nicht wenn irgendein Fahrplan dies vorsieht, ist eine im fahrplangesteuerten Betrieb nicht zu erreichende Flexibilität möglich - die Flexibilität wird der des Straßengüterverkehrs vergleichbar, verbunden mit dem nicht zu unterschätzenden Kostenvorteil durch den Wegfall des Fahrers. [21]
Diese Vorzüge werden grundsätzlich auch von der Deutschen Bahn AG erkannt. Zum einen wird der automatisierte und dezentralisierte Eisenbahngüterverkehr als Ziel der Entwicklung des Schienengüterverkehrs der Zukunft eingestuft, [22] zum anderen können verschiedene neuere Entwicklungen der Deutschen Bahn AG, zu nennen wäre vor allem der CargoSprinter, eine Transporteinheit aus fünf fest gekoppelten Containertransportwagen, von denen jeweils der erste und letzte angetrieben und mit einer Fahrerkabine versehen ist, [23] als Schritte hin zu einem solchen Konzept interpretiert werden.
Abbildung
2:
CargoSprinter
der Deutschen Bahn AG
(Quelle:
Pressestelle der DBAG)
Als "Nebeneffekt" einer Einführung dieser Technologie wird erwartet, daß das gesamte Ausmaß der negativen externen Effekte des (Güter-)Verkehrssektors abnimmt. Dies wird auch als Vorzug dieser Technologie angeführt. [24]
An diesem Punkt setzt die Problemstellung dieser Arbeit an. Die erste Frage ist: Kann man die Annahme geringerer spezifischer negativer externer Effekte (Umweltfreundlichkeit [25]) des Eisenbahngüterverkehrs bei einer deutlichen Änderung der zugrunde liegenden Technologie a priori aufrecht erhalten, wie dies bisher getan wurde? Diese Frage ist m. E. mit Nein zu beantworten, alleine schon, da einer der Gründe für den geringeren spezifischen Energieverbrauch und die geringeren spezifischen Schadstoffemissionen des Eisenbahngüterverkehrs in der im Verhältnis zur Transportleistung sehr kleinen Stirnfläche des Zugverbandes besteht. Dieser Vorteil geht der Bahn bei einem automatisierten und dezentralisierten Güterverkehr verloren.
Daraus folgt die Frage, ob sich diese Technologie bei einer genaueren Nachprüfung als im obigen Sinne dem Straßengüterverkehr überlegen erweisen wird. Diese "genauere Nachprüfung" ist der eigentliche Gegenstand der Arbeit. Die zu überprüfende Hypothese lautet:
Der automatisierte und dezentralisierte Eisenbahngüterverkehr weist geringere negative externe Effekte pro Transportleistung auf als der Straßengüterverkehr, aber höhere als der bisherige Eisenbahngüterverkehr.
Des weiteren ist zu untersuchen, ob, und wenn ja, welche positiven externen Effekte von den verschiedenen Gütertransporttechnologien ausgehen und in welchem Maße. [26]
Nun könnte man die praktische Relevanz dieser Untersuchung in Frage stellen, wenn sie nur Informationen über ein System, dessen Realisierungschancen man aus verschiedenen Überlegungen heraus anzweifeln kann, [27] liefern würde. Dem ist jedoch nicht so, denn die Untersuchung zeigt zugleich auch auf, in welcher Weise sich die externen Effekte des Verkehrs tendenziell verändern, wenn andere Ansätze, die "Losgröße" bei der Produktion von Schienenverkehrsleistungen zu reduzieren, [28] sich durchsetzen und es dem Schienenverkehr erlauben, sich gegen den Straßenverkehr zu behaupten.
Das hinter der fortdauernden verkehrs- bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Beschäftigung [29] mit der Idee eines automatisierten und dezentralisierten Eisenbahngüterverkehrs stehende Interesse bedarf möglicherweise einer Erläuterung. Denn die Möglichkeiten einer solchen Technologie zu entdecken, zu entwickeln und zu implementieren, ist ja doch eher eine ingenieurwissenschaftliche Aufgabe, eine solche Entwicklung zu finanzieren, Sache einer Eisenbahngesellschaft, der Bahntechnik-Industrie oder eines Schumpeterschen Unternehmers, eines Entrepreneurs, der einer Eisenbahngesellschaft die Entwicklung zu verkaufen beabsichtigt.
Das grundlegende wirtschaftswissenschaftliche Interesse an diesem Thema begründet sich aus der Wechselwirkung zwischen technischer Entwicklung, institutionellen Rahmenbedingungen und der Frage, inwieweit eine Dienstleistung wie der Transport von Gütern wettbewerblich produziert wird. [30]
Die Technologie und die sogenannten institutionellen "Rahmenbedingungen", die selbst wiederum durch die Entwicklung des Systems beeinflußt werden und insofern nicht zum "Rahmen" im Sinne eines exogen vorgegebenen Datenkranzes zu rechnen sind, [31] determinieren die Möglichkeiten für Wettbewerb. [32] Dies ist insbesondere bedeutsam, weil auf Märkten mit einer hinreichend hohen Anbieterzahl i. d. R. auch eine größere Zahl technischer Verbesserungen, eine höhere innovatorische Aktivität zu beobachten ist. Bei genauerer Betrachtung des Güterverkehrsmarktes zeigt sich jedoch, wie oben schon angesprochen, daß zwar der Markt für Straßen- und Schienengütertransporte als ein einzelner [33] betrachtet werden muß, jedoch die innovationsfördernde Wirkung von Wettbewerb hauptsächlich als Wirkung des Straßengütertransports auf den Straßengütertransport zu beobachten ist. [34] Dies ist erklärbar durch die Möglichkeit der Imitation erfolgreicher Entwicklungen innerhalb eines technischen Paradigmas, während die Übertragung einer Idee aus einem Paradigma [35] in ein anderes selten, schwierig und untypisch ist. [36]
Sollte sich ein Transport mit automatischen Gütertriebwagen als wirtschaftlich erfolgreich erweisen, so entsteht damit bei geschickter institutioneller Ausgestaltung (klar geregelte Zulassung und Kontrolle der Fahrzeuge durch eine unabhängige Stelle, [37] z. B. durch einen TÜV, wie bei Straßenfahrzeugen, usw.) und geeigneter Definition der Schnittstellen (Signaltechnik, Informationsübertragung zwischen Strecke und Fahrzeug usw.) die Möglichkeit, daß Speditionen mit Einzelfahrzeugen auf der Schiene ebenso als Frachtführer auftreten wie auf der Straße. Ganz gleich, ob Speditionen solche Fahrzeuge selbst kaufen, leasen oder nur mieten würden, es kann dann ein Wettbewerb um die beste Ausgestaltung dieses Fahrzeugkonzepts einsetzen, so wie dies auch beim Straßenverkehr im Rahmen der durch die StVO und StVZO gegebenen Bestimmungen geschieht. [38] Auch der Algorithmus zur Routenfindung, der bei Rosebrock (1992) noch in den Knoten (den Verzweigungen im Streckennetz) gedacht war, [39] läßt sich, implementiert man ihn im Fahrzeugrechner, einem marktlichen Wettbewerb aussetzen. Ebenso ist es nicht unbedingt notwendig, die Informationen über die Belegung des Streckennetzes in der Kommunikation des Fahrzeugs mit dem Knoten zu übertragen, ebensowenig wie zwischen benachbarten Knoten. Diese Informationen könnten ebenso gut auch über ein Mobilfunknetz abgerufen werden, wobei auch hier grundsätzlich wieder verschiedene Anbieter solche Informationen bereitstellen könnten, unterschiedlich bepreist, unter Heranziehung weiterer Informationen aufbereitet usw. Notwendig ist lediglich eine Schnittstellendefinition, die solche Möglichkeiten weitestgehend offenhält.
Eine solche Konkurrenz um Routenfindungsalgorithmen, optimierte Fahrprogramme, gute Streckennetzinformationen usw. verspricht einen Wettbewerb, bei dem ein Lernen vom Konkurrenten zu einer gegenseitigen Verstärkung innovatorischer Impulse führt.
Vor allem aber schlägt ein solches Konzept auch eine Brücke zwischen der Eisenbahn- und der Automobiltechnik, d. h. die bisher tendenziell getrennten Welten der Eisenbahnfahrzeugtechnologie und der Straßenfahrzeugtechnologie werden vereint in dem Sinne, daß technische Fortschritte in einem Bereich nicht mehr Jahrzehnte für die Diffussion in den anderen Bereich benötigen. Dies verspricht insbesondere für die Eisenbahn deutliche Einsparungen, wie man an ersten Versuchen, für Nebenbahntriebwagen im Personenverkehr auf Omnibustechnik zurückzugreifen, [40] und auch am CargoSprinter bereits erkennen kann.
Nachdem mit den bisherigen Ausführungen der Untersuchungsgegenstand umrissen und die zu untersuchende Fragestellung vorgestellt wurde, wird im Gliederungspunkt 1.4 kurz auf die begriffliche Abgrenzung zwischen statischer und dynamischer Theorie eingegangen. [41]
Im zweiten Kapitel werden dann im Rahmen einer Literaturstudie die gesamten und die spezifischen [42] externen Kosten des Straßen- und Schienenverkehrs erarbeitet, gefolgt von einer Diskussion der Frage, ob und in welchem Umfang externe Nutzen den Kosten gegenübergestellt werden können (Kapitel 3). Im Rahmen dieser Frage nach dem sozialen Überschuß des (Straßen-) Verkehrs spitzt sich die Diskussion letztlich auf die Frage zu, ob eine Inkaufnahme externer Kosten dadurch zu begründen ist, daß dadurch das Wachstum und der technische Fortschritt gefördert wird. Zur Klärung dieser Frage wird in einem Exkurs das Problem des Effizienzkriteriums in einer Welt mit technischem Fortschritt am Beispiel des Problems des lock-in in eine inferiore Technologie dargestellt.
Im vierten Kapitel wird aufgezeigt, in welcher Weise der Fahrwiderstand eines Fahrzeugs von den technischen Parametern abhängt, wie sich aus den Lärmemissionen des Straßen- und Schienenverkehrs auf die Lärmbelastung durch einen Verkehr mit Gütertriebwagen schließen läßt, und es wird diskutiert, inwieweit aus allgemeinen Überlegungen und verschiedenen theoretischen Ansätzen eine Prognose über das Unfallrisiko automatisch fahrender Einzelwagen mit dezentraler Steuerung hergeleitet werden kann.
Auf der Basis der bis dahin, vor allem im zweiten und vierten Kapitel erarbeiteten Aussagen wird im fünften Kapitel gezeigt, welche Änderung der externen Kosten bei einer Einführung eines automatisierten und dezentralisierten Eisenbahngüterverkehrs zu erwarten sind. Dazu wird zunächst ein solches Fahrzeug in seinen wichtigsten technischen Parametern kurz skizziert, worauf die Errechnung der zu erwartenden spezifischen externen Kosten folgt.
Im sechsten, dem Schlußkapitel, wird neben der Zusammenfassung und abschließenden Diskussion der Ergebnisse auch nochmals auf die Frage eingegangen, in welchem Verhältnis der neoklassische Theorierahmen zu den dynamischen, mit technischem Fortschritt verbundenen Aspekten des Themas steht.
Um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen, zunächst noch eine begriffliche Klärung: Im Verlauf der Arbeit wird verschiedentlich, vor allem im Kapitel 3, eine "statische" Sichtweise einer "dynamischen" gegenübergestellt, insbesondere wird Wert auf die Unterscheidung von statischen externen Effekten und dynamischen externen Effekten gelegt. Es sind verschiedene Kriterien zur Unterscheidung zwischen einer statischen und einer dynamischen Betrachtung denkbar. [43] Im folgenden wird der Unterschied an der Behandlung des technischen Fortschritts festgemacht. Als statisch wird also eine Theorie eingestuft, die technischen Fortschritt als exogene Größe behandelt und ihm bestenfalls als Anlaß für ein Abweichen vom Gleichgewicht, das jedoch nach solch einer Störung immer wieder angestrebt wird, einen Platz in der Betrachtung einräumt. Dynamisch ist hingegen eine Theorie zu nennen, wenn sie Erklärungsansätze für Richtung und Intensität innovativer Aktivitäten bietet. Zu beachten ist dabei, daß Innovationen typischerweise mit originär Neuem verbunden sind, über den Ausgang des Innovationsprozesses ex ante "fundamentale Unsicherheit" [44] herrscht. [45]
Die alltägliche ökonomische Arbeit bewegt sich i. d. R. auf der Ebene der statischen neoklassischen Theorie, ist komparativ statische Analyse. Obwohl diese Feststellung von Boulding (1955, S. 485) vor über 40 Jahre getroffen wurde, [46] kann sie m. E. wohl auch heute noch aufrechterhalten werden. Andererseits wird spätestens seit Schumpeter langfristig dem Anreiz zu Neuerungen, zu innovativen Aktivitäten ein wesentlich größeres Gewicht für den Wohlstand der Gesellschaft beigemessen als dem Erreichen eines statischen Gleichgewichtszustands. [47]
Auch in die Diskussion über externe Effekte des Verkehrs hat dieses Thema zwischenzeitlich Einzug gehalten. [48] Sowohl Forderungen nach verändertem staatlichen Einfluß, wie z. B. die nach einer schärferen Besteuerung des Kraftfahrzeugverkehrs, als auch mahnende Stimmen solches gerade nicht zu tun argumentieren mit befürchteten, erhofften oder gewünschten Wirkungen der jeweiligen Maßnahmen auf Innovationen, auf Richtung und Umfang des technischen Wandels.
Diese Untersuchung konzentriert sich jedoch im Kern auf eine vom theoretischen Rahmen her eindeutig statisch-neoklassische Fragestellung. Das Konzept der (technologischen) externen Effekte wurde im Modellrahmen der neoklassischen Theorie entwickelt und ist daher zunächst auch nur dort sinnvoll anwendbar. Der Versuch einer Übertragung, quasi im Analogieschluß, auf Problemstellungen, die mit technischem Fortschritt verbunden sind, führt, wie gegen Ende des dritten Kapitels an Hand des Arthurschen Gedankengebäudes [49] zum lock-in inferiorer Technologien kurz gezeigt wird, zu immensen konzeptionellen Schwierigkeiten.
Demgegenüber vermag m. E. eine Untersuchung mit einem theoretischen Rahmen, der vordergründig rein statisch und neoklassisch ist, zu zwar möglicherweise in ihrer Reichweite begrenzten, aber sinnvollen und relevanten Ergebnissen zu führen.
[1] Vgl. neben Bickel / Friedrich (1995) und Mauch / Rothengatter (1995) z.B. Dogs / Platz (1991, S. 9f, 9-2 - 9-4, 9-11), Ellwanger (1993, S. 98f), Frank / Münch / Seifert (1990, S. 13, 15, 59), Gussfeld (1993, S. 121), Whitelegg (1993, S. 37f), für den Personenverkehr: Teufel et al. (1989b, S. 5f).
[2] Für eine rein verbale Definition externer Effekte siehe z.B. Schlieper (1988, S. 524): "Unter externen Effekten versteht man Einflüsse, die durch die Aktivität einer Wirtschaftseinheit [...] auf andere Wirtschaftseinheiten ausgeübt werden, ohne daß diese Einflüsse über einen Preismechanismus gesteuert werden [...]." sowie die dort im weiteren angeführte Literatur.
[3] Dies wäre angesichts des inzwischen recht niedrigen Marktanteils des Eisenbahngüterverkehrs nicht sonderlich verwunderlich.
[4] Vgl. z.B. o.V. (1991, S. 483), Regierungskommission Bundesbahn (1990, S. 9), o.V. (1997g).
[5] Letztlich ist es nicht nur nicht überraschend, sondern eigentlich zu erwarten, daß ein Mißstand nicht endet, wenn die Ursache zwar erkannt, aber nichts zu ihrer Beseitigung unternommen wird.
[6] Vgl. Arrow (1969, S. 15 - 18), Buchanan / Stubblebine (1962, S. 208), Coase (1960, S. 8), Coase (1992, S. 717f), Dahlmann (1979, S. 142). Begrifflich problematisch ist in diesem Zusammenhang, daß man Zustände, die nicht als ineffizient einzustufen sind, strenggenommen auch nicht als Externalitäten bezeichnen kann.
[7] Vgl. Arrow (1969, S. 20), Coase (1992, S. 717), für das analoge Problem bei der Standardisierung von Technologien: Fleischmann (1994, S. 107).
[8] Vgl. Dahlmann (1979, S. 155).
[9] Wenngleich die Frage der "Umweltfreundlichkeit" ursprünglich dieser Arbeit zugrunde lag, muß doch darauf hingewiesen werden, daß externe Kosten durch Staus und Unfälle inzwischen das Bild dominieren. Dies ist aber wohl nicht zuletzt auch auf die einfachere Bewertbarkeit dieser Größen zurückzuführen.
[10] Die Verkehrsleistung wird in den Einheiten Personenkilometer (Pkm) bzw. Tonnenkilometer (tkm) ausgedrückt.
[11] Vgl. z.B. Fleischmann (1995, S. 142f), Aberle (1988, S. 63), Laaser (1988, S. 2f).
[12] Vgl. z.B. Aberle (1980, S. 14), Backhaus et al. (1992, S. 29), Frank / Münch / Seifert (1990, S. 9), Kracke (1990, S. 184), Münchschwander (1989, S. 70), Pällmann (1986, S. 82), Regierungskommission Bundesbahn (1990, S. 43).
[13] Vgl. z.B. Aberle (1996, S. 84f).
[14] Eine solche Veränderung wird von verschiedenen Seiten als essentiell für eine langfristige Zukunft des Eisenbahngüterverkehrs eingestuft, vgl. den Überblick bei Hönscheidt (1996b).
[15] Vgl. Fleischmann (1993, 1995, 1997), Frederich (1992a, 1992b, 1994), Rosebrock (1992, 1993).
[16] Es existieren zwar extrem anspruchsvolle technische Lösungen, die es prinzipiell ermöglichen ein Kraftfahrzeug fahrerlos im Straßenverkehr fahren zu lassen, diese sind m.E. aber noch weit von einer praktischen Anwendbarkeit unter Alltagsbedingungen entfernt, wenn auch Teilaspekte der dazugehörigen Technik (Abstandsregelung) bereits recht seriennah sind (vgl. Hönscheidt 1996a, 1996c, Dahlern 1997). Als Beispiel sei nur erwähnt, daß die Fahrzeugerkennung eines dieser Systeme auf der Symmetrie eines vor dem Fahrzeug befindlichen Objekts in bezug auf die Hochachse basiert (vgl. Elben / Bertuch 1993, S. 49), einem Kriterium, dem keineswegs alle Straßenfahrzeuge genügen - man denke nur an Motorräder mit Beiwagen. Auch in jüngster Zeit scheinen keine fundamentalen Durchbrüche gelungen zu sein, vgl. Ewe (1997) sowie Kuhn (1997) und o.V. (1997i) für die USA. Auch Kurzweil (1993, S. 410f) bezweifelt als anerkannter Experte für Artificial Intelligence die praktische Anwendbarkeit des automatischen Fahrens auf Straßen vor der Mitte des nächsten Jahrhunderts.
[17] Vgl. neben Frederich (1992a, 1992b, 1994, 1995) auch o.V. (1997f).
[18] Im technischen Sinne handelt es sich um eine Regelung (mit Rückkopplung), nicht um eine Steuerung (ohne Rückkopplung). Aus sprachlichen Gründen wird in dieser Arbeit häufiger die eher umgangssprachliche Begriffsabgrenzung verwendet und von "Steuerung" gesprochen, auch wenn eine Regelung gemeint ist. Eine genaue Unterscheidung ist m.E. für diese Arbeit nicht vonnöten.
[19] Vgl. Rosebrock (1992).
[20] Vgl. Rosebrock (1992). Bei einer mit dem Lkw vergleichbaren Reisegeschwindigkeit von z.B. 80 km/h profitieren automatisch fahrende Wagen davon, daß Ruhepausen für sie weder vorgeschrieben noch notwendig sind. Der dadurch entstehende Zeitgewinn verspricht in Zukunft noch bedeutsamer zu werden, da die größten Zuwachsraten im Güterverkehr bei zeitkritischen Verkehren erwartet werden (vgl. Müller 1994).
[21] Vgl. Fleischmann (1993, S. 12f). Allerdings hat der Fahrer auch eine wichtige Funktion als Begleiter der und Verantwortlicher für die Fracht - inwieweit er in dieser Hinsicht zu substituieren ist wurde m.W. in diesem Zusammenhang noch nicht untersucht.
[22] Vgl. z.B. Molle (1994, S. 37, 3. Sp.).
[23] Vgl. z.B. Schubert (1996), Weidelich (1996a), o.V. (1996b). Weitere Schritte, die für die Einführung eines solchen Systems Freiräume eröffnen, liegen z.B. auch im "Train Coupling and Sharing"-System, das zumindest ebenfalls das Prinzip der flexiblen und schnellen temporären Zugbildung verwirklicht und, von der Signaltechnik her, in den Arbeiten zum European Train Control System (ETCS) (vgl. Frederich 1992b, S. 265, o.V. 1996a, o.V. 1997b).
[24] Vgl. Rosebrock (1992, S. 19, 114). Auch Professor Frederich äußerte sich mir gegenüber ähnlich auf der Tagung der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Technologieforschung am 12. und 13.10.1993 in Frankfurt am Main.
[25] Vgl. die Erläuterung in Fn. 9.
[26] Vgl. für die bestehenden Güterverkehrstechnologien z.B. Dogs / Platz (1991, S. 3), Aberle et al. (1993) oder Willeke (1996), andererseits leugnet z.B. Bartmann (1992, S.96) das Auftreten positiver externer Effekte im Verkehrssektor völlig. Mauch / Rothengatter (1995) gestehen zwar die Existenz positiver Externalitäten im Verkehr zu, halten diese jedoch für vernachlässigbar.
[27] Zu nennen wäre hier das starre Eisenbahn-Paradigma, das z.B. Eisenbahnbetrieb mit Zugbildung gleichsetzt und die Systemsicherheit durch starke hierarchische Strukturen zu wahren versucht. Dieses Paradigma manifestiert sich in der institutionellen Verankerung des Eisenbahnbundesamtes, das von seiner Position und Struktur her auf die Zementierung bestehender "erprobter Verfahrensweisen" zugeschnitten ist - vgl. zur Bedeutung von Paradigmata und korrespondierenden Institutionen auch Fleischmann (1993, 1995, 1998, 1997). Des weiteren mag es, auch vor dem Hintergrund der Empfehlungen der Regierungskommission Bundesbahn, eine Verlockung für die Bahn sein, sich auf die "natürlichen Stärken der Schiene im Massenguttransport" zurückzuziehen, so wie dies schon einmal bei der Deutschen Bundesbahn unter dem Stichwort "betriebswirtschaftlich optimales Netz" geplant war (vgl. auch o.V. 1997k), anstatt zu versuchen, offensiv dem Straßentransport Konkurrenz zu machen (man beachte nur die in Preuss 1997, S. 22 berichtete Äußerung eines leitenden DB-Cargo-Mitarbeiters, es handele sich um "übertriebenen und oft sinnlosen Service", wenn Waren über Nacht vom Versender zum Empfänger kommen). Durch Streckenstillegungen könnte die für den automatisierten und dezentral gesteuerten Einzelwagenverkehr wichtige Möglichkeit verlorengehen, überlastete Hauptstrecken zu umfahren - schon eine durch den Personennahverkehr motivierte Übernahme der Nebenstrecken durch kleinere Betreiber könnte problematisch sein, da diese evtl. wenig Anreiz haben, die notwendige Infrastruktur für ein automatisches Fahren auf den Strecken zu installieren.
[28] Auch hier kann wieder der CargoSprinter angeführt werden.
[29] Von Rosebrock (1992) über Fleischmann (1992, 1993, 1995, 1997) bis hin zu Nagel (1999) und der vorliegenden Arbeit.
[30] Vgl. hierzu und zum folgenden insbes. Fleischmann (1992).
[31] Vgl. z.B. Kill (1991).
[32] Vgl. auch Müller (1999), der sich ausführlich mit der Frage des Verhältnisses von technischer Entwicklung und der Zugehörigkeit eines wirtschaftlichen Bereiches zur Infrastruktur auseinandersetzt.
[33] Beziehungsweise als mehrere, die jedoch nicht primär nach dem Verkehrsträger zu differenzieren sind, sondern nach Preis- und Qualitätsparametern, die in vielen Fällen grundsätzlich sowohl vom Straßen- wie vom Schienentransport erfüllt werden können.
[34] Vgl. Fleischmann (1995, S. 142f).
[35] Vgl. zum Konzept des technologischen Paradigmas neben Fleischmann (1998) z.B. auch Heimer (1993, S. 46f) sowie die dort angegebene Literatur.
[36] Vgl. z.B. Fleischmann (1997, S. 5). Um was für eine eigene Welt es sich bei den Eisenbahnen handelt wird m.E. ausgezeichnet illustriert durch ein Problem, das bei der Deutschen Bahn AG wohl über einen längeren Zeitraum kontrovers diskutiert wurde: die Frage nämlich, ob die CargoSprinter Fahrzeugnummern aus dem Nummernkreis der Triebwagen mit Verbrennungsmotor oder aus dem der Güterwagen erhalten sollten - letztere Ansicht gewann die Oberhand (vgl. o.V. 1996b). Es ist dies das, was Pirsig (1992) als "Schnabeltier" bezeichnet: die Konfrontation mit einem Phänomen, das in keine Kategorie paßt. Ein Gütertriebwagen ist im System der Fahrzeugnummern der Deutschen Bahn AG schlichtweg nicht vorgesehen.
[37] Das Eisenbahnbundesamt in seiner momentanen personellen Ausstattung, die sich im wesentlichen aus ehemaligen "Bundesbahnern" rekrutiert, erfüllt diese Voraussetzung m.E. nicht.
[38] Wobei auch dieser Rahmen bei hinreichend starkem Druck veränderlich ist.
[39] Dies ist m.E. aus der Analogie mit dem Computernetz heraus zu erklären: Dort ist es aus Performance-Gründen uninteressant, jedem Datenpaket einen Routing-Algorithmus beizupacken. Dies scheint mir bei automatisch fahrenden Gütertriebwagen, die ohnehin für das Fahrprogramm einen (bzw. zwei oder mehr redundante) Rechner an Bord haben, anders zu liegen.
[40] Vgl. z.B. Schall (1997).
[41] Strenggenommen wird auch ansatzweise erläutert, warum eine Untersuchung, die primär auf dynamische, den technischen Fortschritt explizit und theorieendogen berücksichtigende Theorien zurückgreift, nicht zu besseren Ergebnissen als die hier verwendete und im Kern einfache statische Analyse führt. Damit wird einer möglichen Kritik begegnet, die sich aus einer Position heraus, wie sie in Kapitel 3.2 vorgestellt wird, gegen diese Arbeit formulieren ließe. Dieser Punkt wird dort auch nochmals aufgegriffen.
[42] Also der Betrag der externen Kosten pro Leistungseinheit [DM/tkm].
[43] Beispielsweise, ob Irreversibilitäten vorliegen, vgl. Bohm (1987) sowie Behrens (1988, S. 21, 67). Zu den Überschneidungen dieser Abgrenzung mit der hier gewählten vgl. Dosi (1988, S. 1145). Zum grundsätzlichen Verhältnis mechanistischer, reversibler und irreversibler, gerichteter Zeitkonzepte vgl. Prigogine (1988, S. 11), Prigogine / Stengers (1981, S. 193), Davies (1988, S. 26f), Georgescu-Roegen (1975, S. 351), Prigogine / Stengers (1993, S. 73 - 77) sowie Cramer (1993).
[44] Dosi (1988, S. 1133f), er spricht von "strong uncertainty", was m.E. mit "fundamentale Unsicherheit" angemessen übersetzt ist (Behrens 1988 übersetzt "strenge Unsicherheit"). Kennzeichnend ist, daß nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeiten verschiedener möglicher zukünftiger Zustände unbekannt sind, sondern auch die "Liste" der zukünftigen Zustände selbst.
[45] Vgl. neben dem erschöpfenden Überblicksartikel von Dosi (1988) z.B. auch Wegner (1995), Behrens (1988, S. 115) sowie Nelson / Winter (1982, S. 128f, 132).
[46] Und obwohl sich der Aufsatz mit einem anderen als dem hier verwendeten Begriff von Dynamik auseinandersetzt.
[47] Vgl. auch Romer (1990, S. S71f) sowie Behrens (1988, S. 1), der auf Schätzungen von Solow hinweist, nach denen im längerfristigen Durchschnitt ca. 90% des Wachstums in den USA auf technischen Fortschritt zurückzuführen sind.
[48] Vgl. Willeke (1996).
[49] Dieser Ansatz wird z.B., neben verschiedenen anderen, von Willeke (1996) zur Stärkung seines Standpunkts mit herangezogen.
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